Hard Boiled – Ein altes Werk von Frank Miller

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Eine richtige Geschichte hat „Hard Boiled“ von Texter Frank Miller und Zeichner Geof Darrow nicht und jede Zusammenfassung des Plots enthüllt wichtige Details der Handlung. Allein schon der Hinweis, dass „Hard Boiled“ unübersehbar von Philip K. Dick inspiriert ist, verrät neben dem Thema auch schon fast das ironische Ende der dreiteiligen Miniserie „Hard Boiled“. Denn der Held der Geschichte lebt in verschiedenen Welten. In der einen ist er ein ganz gewöhnlicher, stockbiederer in der verschlafenen Vorstadt lebender Versicherungsermittler mit Haus, Frau und Kindern. In der anderen ist er der knallharte Steuereintreiber Nixon, bei dessen Einsätzen Kollateralschäden in dreistelliger Höhe zu verzeichnen sind. Nicht Sachschäden, sondern Menschen, die im Kugelhagel zwischen Nixon und dem Objekt seiner Begierde stehen. Die Sachschäden, wie zerstörte Einkaufszentren und ganze Straßenschluchten, sind da noch nicht erwähnt, werden aber klaglos von seinen Vorgesetzten aus der Portokasse bezahlt.

Dass ein normaler Mensch dabei selbst sterben würde ist offensichtlich. Aber Nixon ist kein Mensch, sondern ein Roboter in Menschengestalt, der andere Roboter jagt, nach den Einsätzen wieder zusammengeflickt wird und gleichzeitig in einer ihm von seinem Hersteller einprogrammierten Scheinwelt lebt. Manchmal kollidieren diese Welten miteinander.

Und jetzt sind wir wieder bei dem kultisch verehrtem Philip K. Dick. Bei Robotern mit falschen Erinnerungen dürften viele, wenn sein Name fällt, an „Blade Runner“ denken. Aber auch „Total Recall“ (der Action-Kracher basiert auf Dicks Kurzgeschichte „We Can Remember It For You Wholesale“) böte sich an. Oder, wenn es um den Sprung von einer Welt in eine andere geht, sein mit dem John-W.Campbell-Memorial-Award ausgezeichneter Parallelwelt-Roman „Eine andere Welt“ (Flow my tears, the policeman said, 1974). Sowieso sind in den Romanen und Kurzgeschichten von Philip K. Dick die Helden oft unsicher, welche Wirklichkeit denn nun die wirkliche Wirklichkeit ist und, damit verbunden, die Frage, wer sie sind. Autor Miller und Zeichner Darrow übertrugen diese Frage in einen hyperbrutalen, von Philip K. Dick inspirierten Comic, der vor allem mit liebevoll ausgemalten Action-Szenen glänzt. In den großflächigen, öfters sogar zweiseitigen Bildern sind eine unglaubliche Zahl an Details zu erkennen. Das erinnert öfters an die detailverliebten Zeichnungen von Moebius – und Geof Darrow arbeitete in den Achtzigern auch mit ihm zusammen. Später wurde Darrow der „Conceptual Designer“ für die „Matrix“-Filme.

Frank Miller war, als „Hard Boiled“ 1990 in den USA erschien, bereits mit „Batman: The Dark Knight Returns“ als Neuerfinder des Batman-Mythoses bekannt. Etwa zur gleichen Zeit schrieb er auch die ersten „Sin City“-Comics und, auch wenn seine Vision nicht umgesetzt wurde, Drehbücher für den zweiten und dritten „Robocop“-Film. Diese Arbeit floss auch in „Hard Boiled“ ein.

Gemeinsam schufen Miller und Darrow in dem mit dem Eisner-Award ausgezeichnetem Comic „Hard Boiled“ eine knallbunte Negativutopie, in der Roboter auf offener Straße sich erbittert bekämpfen und alles, was sich ihnen in den Weg stellt, vernichten. Das ist einerseits absolut primitiv und andererseits unglaublich witzig. Dass dabei die Kritik am American Way of Life höchstens noch in Details aufblitzt, ist, dank der Zeichnungen und knappen Dialoge, verschmerzbar. Denn in „Hard Boiled“ geht es vor allem darum, möglichst viel zu zerstören.

„Na los…komm her…drei Kugeln hab ich noch…“

Anmerkung

Öfters wird geschrieben, dass „Hard Boiled“ auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick basiere. Das kann ich nicht bestätigen. Wikipedia schreibt, dass „Hard Boiled“ von Dicks Kurzgeschichte „Die elektrische Ameise“ (The Electric Ant, 1969) inspiriert sei. In „Die elektrische Ameise“ entdeckt Firmenleiter Poole, dass er ein Roboter in Menschengestalt ist. Er beginnt an sich herumzuexperimentieren. Mit fatalen Folgen. Die Gemeinsamkeiten zwischen Dicks gruseliger Geschichte (Unbedingt lesen!) und Millers Comic sind bestenfalls marginal.

Frank Miller/Geof Darrow: Hard Boiled

(übersetzt von Stefan Pannor)

Cross Cult, 2008

128 Seiten

24 Euro

Originalausgabe

Hard Boiled

Dark Horse Comics, 1990/1992

Hinweise

Wikipedia über Frank Miller

Wikipedia über Geof Darrow

Homepage von Philip K. Dick

Übersetzer Stefan Pannor über „Hard Boiled“

4 Responses to Hard Boiled – Ein altes Werk von Frank Miller

  1. […] Meine Besprechung von Frank Miller/Geoff Darrows „Hard Boiled“ (Hard Boiled, 1990/1992) […]

  2. […] großes Aufklapp-Panorama-Poster ist, kann als einer seiner zeichnerischen Höhepunkte gelten. In „Hard Boiled“ (zusammen mit Zeichner Geof Darrow) ist der Held ein Roboter, dem mit großem Aufwand suggeriert […]

  3. […] Meine Besprechung von Frank Miller/Geoff Darrows “Hard Boiled” (Hard Boiled, 1990/1992) […]

  4. […] Meine Besprechung von Frank Miller/Geoff Darrows „Hard Boiled“ (Hard Boiled, 1990/1992) […]

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