
Es gibt sicher tausend Möglichkeiten, aus einem Stoff eine spannende Geschichte zu machen. Gute, weniger gute und schlechte. In Guido Seyerles Romandebüt „Schweinekrieg“ ist der Stoff das Schwäbisch-Hällische Landschwein und wie es einigen Landwirten in den vergangenen beiden Jahrzehnten gelang, aus einer aussterbenden Rasse eine Marke zu machen. Diese Etablierung in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ging nicht ohne Konflikte ab.
Das ist der reale Hintergrund und auch der Stoff den Guido Seyerle zu einem Roman verarbeitete. Allerdings ist es kein gelungener Roman. Gründe gibt es dafür viele. Der wichtigsten ist die Wahl der Hauptperson. „Schweinekrieg“ wird ausschließlich aus der Sicht des freiberuflichen Lokaljournalisten Chris Schranz erzählt. Er beobachtet mit Sympathie, wie der nach einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt 1984 zurückgekehrte Landwirt Heinrich Bauer das vom Aussterben bedrohte Schwäbisch-Hällische Landschwein als Marke etablieren will. Bauer versucht die anderen Schweinezüchter zu überzeugen, ihre Zucht umzustellen. Er engagiert sich bei den Grünen. Er gründet eine Erzeugergemeinschaft und er organisiert einen Stand auf der Grünen Woche in Berlin. Der Stand wird ein voller Erfolg. Später kann Bauer mit einem der größten europäischen Lebensmittelkonzerne, Feinkost Küfer, einen lukrativen Vertrag für die Gesundheitslinie „ich darf“ abschließen.
Gleichzeitig versucht die Schweinemafia (so nennen die Züchter das Kartell der Abnehmer, die die Preise immer weiter nach unten drücken), personifiziert durch die Schweinezentrale und ihren Chef Falko Dombrowski, Bauer zu behindern. Während sich diese Aktionen der Schweinezentrale innerhalb der marktwirtschaftlichen Spielregeln bewegen, tritt bei mehreren Schweinen auf verschiedenen Höfen die Aujetzki-Krankheit auf, zwei Reifen werden mit einem aus der DDR stammenden Messer zerstochen, eine Inkassofirma versucht von Bauer nicht vorhandene Schulden einzutreiben und Lukas Ritzer wird ermordet.
Das ist eigentlich mehr als genug Handlung für ein spannendes Buch. Aber Chris Schranz tut genau das, was ein Journalist tun soll: er hält sich aus allem heraus, beobachtet und berichtet darüber.
Doch der erste, einige behaupten der einzige, Grundsatz für eine spannende Geschichte lautet: Die Hauptperson will ein bestimmtes Ziel mit allen Mitteln erreichen.
Der zweite dehnt diesen Satz auf die anderen Charaktere aus: Jeder will in jeder Szene etwas erreichen. Auch wenn es nur ein Glas Wasser ist.
Aber Schranz will nichts erreichen. Dagegen will Heinrich Bauer etwas erreichen. Er nimmt den Kampf eines Davids gegen Goliath auf und gewinnt. Das wäre eine tolle Geschichte gewesen. Auch die Geschichte der Menschen, die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass Bauer erfolgreich ist, wäre spannend zu lesen gewesen. Oder die Geschichte von Bauers Frau, die an dem Ehrgeiz ihres Mannes zerbricht. Oder die der Polizisten, die den Mörder von Ritzer suchen.
Doch Seyerle wählte mit Chris Schranz den schwächsten von allen möglichen Hauptcharakteren aus.
Gleichzeitig war Seyerle der Kampf der kleinen Schweinezüchter gegen die Schweinezentrale zu wenig. Er pfropfte diesem Kampf einen dünnen und, wenn er nicht der Wirklichkeit entspricht, abstrus-unglaubwürdigen Krimiplot auf. Denn irgendjemand will anscheinend mit allen Mitteln verhindern, dass Bauer und seine Mitstreiter erfolgreich sind. Jedenfalls ist beim Lesen unklar, ob die Anschläge gegen die Schweinezüchter wirklich die geplanten Taten eines einzelnen Täters sind. Am Ende (und damit gebe ich den Lesern, die das Buch nach diesem Verriss doch noch kaufen, die Spannung, die in der Geschichte nicht vorhanden ist) wird der hinter allem steckende Bösewicht verhaftet und es gibt eine Erklärung für die vielen aus Osteuropa, hauptsächlich der DDR, kommenden Menschen. Denn diese Ostler arbeiten zusammen.
Guido Seyerle: Schweinekrieg
Gmeiner Verlag, 2007
288 Seiten
9,90 Euro
Homepage von Guido Seyerle: http://www.reise-schriftsteller.de/
„Schweinekrieg“ vermischt Fakten mit Fiktion. Auf der Seite der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) gibt es einige Fakten:
http://www.besh.de/html/startseite.html