Ein Superheldenfilm aus Ungarn? Warum nicht? Und dann noch gedreht mit einem Budget, das bei einem Marvel-Film gerade die Portoausgaben deckt. Das klingt interessant und natürlich muss ein Superheldenfilm kein überbordendes Trickfeuerwerk sein. Schließlich richtet „Jupiter’s Moon“ sich nicht unbedingt an Teenager. Und bei einem Science-Fiction-Film geht es letztendlich immer um die Idee und wie sie ausformuliert wird. Siehe beispielsweise „Moon“ oder „Ex Machina“.
Dummerweise versagt „Jupiter’s Moon“ nach einem verheißungsvollen Anfang in diesem Punkt vollständig.
Es beginnt an der serbisch-ungarischen Grenze. Eine Gruppe Flüchtlinge will illegal über die Grenze nach Ungarn. Sie werden entdeckt, verfolgt und ein Polizist erschießt einen der Flüchtlinge. Aber der Syrer Aryan ist nicht tot. Er überlebt die tödlichen Schüsse, schwebt Richtung Himmel, dreht sich mehrmals ungläubig staunend um die eigene Achse, kehrt auf die Erde zurück und lebt weiter. Zunächst in einem Auffanglager für Flüchtlinge.
Dort entdeckt ihn der korrupte Arzt Dr. Stern, der dringend Geld benötigt. Er befreit Aryan. Denn er sieht in Aryans Fähigkeit, sich selbst zu heilen, eine Möglichkeit schnell an viel Geld zu kommen.
Als bitterer, durchaus satirisch zugespitzter Blick auf den Umgang Ungarns mit Flüchtlingen und wie ein Flüchtling aus egoistischen Motiven von einem Einheimischen als Goldesel benutzt wird, könnte „Jupiter’s Moon“ sehr gut funktionieren. Diese Beschreibung ist intensiv und gelungen.
In dem Rahmen wäre auch der Actionplot – der Polizist, der Aryan an der Grenze erschoss, sucht ihn jetzt – akzeptabel.
Aber dann ist da noch die Superheldengeschichte, die nur ein ärgerlicher Gimmick ist, um Interesse am Film zu wecken. Aryan ist als „Engel oder ein noch höheres Wesen“ (Presseheft) von der ersten bis zur letzten Minute passiv. Seine Fähigkeiten werden nicht erklärt. Es ist auch unklar, für was Aryan steht oder was er für sich mit seiner Fähigkeit anfangen kann oder will. Anstatt eines klaren erzählerischen Fokus, einer Erklärung für Aryans Fähigkeiten und einer thematischen Geschlossenheit bietet Regisseur Kornél Mundroczò nach über zwei Stunden Filmzeit nur ein frustrierendes Potpourri an Möglichkeiten.
Sein vorheriger Film „Underdog“ (TV-Titel „Weißer Gott“) ist als dystopische Parabel ungleich gelungener.
Auf der technischen Ebene beeindrucken, von den ersten Minuten an, die vielen langen Plansequenzen. Hier hat Kameramann Marcell Rév erstaunliches geleistet. Zu seinen anderen Werken gehören „Assassination Nation“ und „Underdog“.
Die Szenen, in denen Aryan schwebt, sind in ihrer Mischung aus Effektivität und Einfachheit beeindruckend. Letztendlich sind sie eine Mischung aus Doppelbelichtung und frei schwebender, sich drehender Kamera. Das ist nichts, was es nicht schon seit über hundert Jahren gibt, aber das Gefühl der Desorientierung ist vorhanden.
Nur: Wer sieht sich schon Filme wegen der Kameraarbeit an?
Jupiter’s Moon (Jupiter’s Moon, Ungarn 2017)
Regie: Kornél Mundruczó
Drehbuch: Kata Wéber
mit Merab Ninidze, Zsombor Jéger, György Cserhalmi, Móni Balsai, András Bálint, Farid Larbi, Máté Mészáros
Länge: 129 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Jupiter’s Moon“
Metacritic über „Jupiter’s Moon“
Rotten Tomatoes über „Jupiter’s Moon“