Bis dahin
kann man
lesen.
Aimée ist vielleicht nicht die erste literarische Killerin, aber sicher immer noch eine der ungewöhnlichsten und die von Neopolar-Autor Jean-Patrick Manchette erfundene Männermörderin ist untrennbar mit den Siebzigern und dem damaligen revolutionärem Geist verbunden. Dabei ist Aimée keine Systemgegnerin. Sie bringt halt nur in verschiedenen typisch französischen Orten Mitglieder der Oberschicht um. Denn überall gibt es ein Arschloch, das den Tod verdient hat. Nachdem sie in der Provinz einen Jagdunfall inszenierte („Die anderen Jäger vernahmen das fröhliche Knallen von drei Schüssen.“), reist sie weiter in das Hafenstädtchen Bléville und beginnt ihr nächstes Opfer zu suchen.
Als Jean-Patrick Manchette die erste Idee für „Fatale“ hatte, sprach er mit Regisseur Claude Chabrol darüber und Chabrol ermutigte ihn, ein Drehbuch zu schreiben, das er verfilmen wollte. Bereits 1974 verfilmte Chabrol „Nada“ und diese fast unbekannte Manchette-Verfilmung wird von den Manchette-Fans geschätzt. Aus dem Film wurde nichts, aber mit seinen Inspecteur-Lavardin-Filmen drehte er einige Filme über einen Polizisten, der ähnlich nachhaltig und rücksichtslos wie Aimée in der Provinz aufräumt.
Denn in seinem 1977 erschienen Noir „Fatale“ lässt Manchette eine Killerin auf das Provinz-Bürgertum los, während ein Baron etwas revolutionäre Kapitalismuskritik äußern darf, und Aimée die dunklen Geschäfte und Geheimnisse der Honoratioren erfährt. Dabei überlegt sie, wer von ihnen für seine Schandtaten den Tod verdient hat. Allein das macht schon Spaß. Dass Aimée auch noch eine gutaussehende junge Frau ist, vergrößert das Lesevergnügen nur noch.
Jetzt übertrugen Manchette-Sohn Doug Headline und Comiczeichner Max Cabanes, nachdem sie bereits Manchettes posthum erschienenen Roman „Blutprinzessin“ als Comic adaptierten, Manchettes neunten Roman (von elf) in ein neues Medium und folgen dabei der Vorlage genau. Allerdings kommt die Wandlung der eiskalten Killerin zur zögernden Frau etwas zu überraschend. Aimées wenigstens teilweise Läuterung ist dann auch weniger in der Geschichte, sondern in den damaligen Konventionen begründet ist. Denn wohin kämen wir, wenn Femme Fatale ohne jedes Schuldbewusstsein und mit einem Koffer voller Geld einfach entkommen könnte?
Cabanes‘ Bilder erinnern dabei an die bekannt-beliebten klassischen französischen Kriminalfilme aus den sechziger und siebziger Jahren,
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Max Cabanes/Jean-Patrick Manchette/Doug Headline: Fatale
(übersetzt von Resel Rebiersch)
schreiber & leser, 2014
136 Seiten
24,80 Euro
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Originalausgabe
Fatale
Dupuis, 2014
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Die Vorlage
Jean-Patrick Manchette: Fatale
(übersetzt von Christina Mansfeld)
Distel Literaturverlag, 2001
152 Seiten
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Deutsche Distel-Erstausgabe unter dem Titel „Fatal“.
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Originalausgabe
Fatale
Éditions Gallimard, 1977
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Hinweise
Wikipedia über Jean-Patrick Manchette (deutsch, englisch, französisch)
Krimi-Couch über Jean-Patrick Manchette
Kaliber.38 über Jean-Patrick Manchette
Mordlust über Jean-Patrick Manchette
Informative Manchette-Seite vom Distel Literaturverlag
Französische Jean-Patrick-Manchette-Seite
Meine Besprechung von Jean-Patrick Manchettes “Portrait in Noir” (2014)
Interessanter Artikel.