In wenigen Tagen startet Tony Scotts Remake von John Godeys 1973 erschienenem Bestseller „The Taking of Pelham 123“ und wenn Hollywood glaubt, dass die alte Geschichte gut genug für ein Remake (schließlich wurde der Roman bereits 1974 verfilmt) ist, könnte der Roman auch nach 35 Jahren immer noch lesenswert sein. Denn im Gegensatz zu anderen Remakes, wie „Der Schakal“ (nicht nach Frederick Forsyths Roman) oder „Shaft“ (nicht nach Ernest Tidymans Roman), wurde sich dieses Mal anscheinend an Godeys Geschichte gehalten.
Sie ist so einfach, wie effizient: Während der Rush Hour kapern vier Gangster eine U-Bahn. Sie fordern eine Million Dollar (Uh, im Film wegen der Inflation zehn Millionen). Wenn sie nicht innerhalb einer Stunde das Geld haben, stirbt die erste Geisel. Lieutenant Clive Prescott beginnt ziemlich erfolglos mit den Verhandlungen. Denn diese Gangster verhandeln nicht, aber sie haben anscheinend mit allem gerechnet. Naja, fast. Denn in der U-Bahn sitzt ein wie ein Hippie aussehender Zivilpolizist und die New Yorker Polizisten halten überhaupt nichts von Verhandlungen. Sie würden das Problem gerne wie früher lösen: stürmen, die Gangster abknallen und den Tod der Geisel in Kauf nehmen. Der Fahrdienstleiter würde die Typen, die seine U-Bahn gekapert haben und den ganzen Fahrplan durcheinander bringen, am liebsten auf den Mond schießen.
John Godey erzählt diese, dank genauer Recherche, mit vielen Fakten angereicherte Geschichte aus über zwei Dutzend verschiedener Perspektiven: aus der der Geiselnehmer, der Geisel, der Verhandler, dem Bürgermeister, den Medien, undundund. So entsteht neben der Geschichte der Geiselnahme auch ein Porträt von New York in den frühen Siebzigern: die Menschen stürmen neugierig zur U-Bahnstation Grand Central, sie sind wegen der Verspätungen verärgert, sie sind wütend auf die Polizei und den Bürgermeister und fast jede Handlung hat, in der Hochzeit der verschiedenen linken Bewegungen, eine politische Bedeutung.
Nur, und das macht Godeys Thriller, neben der glänzenden Recherche und dem atemlosen Wechseln zwischen den verschiedenen Handlungsfäden und Perspektiven, auch heute noch so lesenswert: den Gangstern ist die Politik (die Befreiung vom weißen Unterdrücker und vom Kapitalismus) herzlich egal. Sie wollen nur das Geld. Sie haben ihren Plan von dem großen Ding perfekt ausgearbeitet – bis dann Zufälle und menschliche Schwächen die Planungen über den Haufen werfen.
Derzeit ist die deutsche Ausgabe nur antiquarisch erhältlich. Die Originalausgabe ist mit dem Plakatmotiv des Remakes überall erhältlich.
John Godey: Abfahrt Pelham 1 Uhr 23
(übersetzt von Wulf Bergner)
rororo, 1975
208 Seiten
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Originalausgabe
The Taking of Pelham One Two Three
G. P. Putnam’s Son, 1973
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Deutsche Erstausgabe
Scherz Verlag
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Verfilmungen
Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3 (The Taking of Pelham 123, USA 1974)
Regie: Joseph Sargent
Drehbuch: Peter Stone
mit Walter Matthau, Robert Shaw, Martin Balsam, Hector Elizondo, Earl Hindman, James Broderick
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The Taking of Pelham One Two Three (USA 1998, TV-FilmI
Regie: Félix Enríquez Alcalá
Drehbuch: April Smith
mit Edward James Olmos, Vincent D’Onofrio, Donnie Wahlberg, Richard Schiff, Lorraine Bracco
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Die Entführung der U-Bahn 123 (The Taking of Pelham 123, USA 2009)
Regie: Tony Scott
Drehbuch: Brian Helgeland
mit Denzel Washington, John Travolta, Luis Guzmán, John Turturro, James Gandolfini
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