Dennis Lehanes „Shutter Island“ in Christian De Metters grandioser Comic-Version

Inzwischen müsste die Geschichte von „Shutter Island“ bekannt sein. Immerhin wurde Dennis Lehanes fantastischer Kriminalroman von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmt. Der Kassenhit erntete 2010 von den Kritikern Lobeshymnen. Ich empfand ihn als ziemlich langweilig und frage mich immer noch, warum sie den Trailer so schneiden mussten, dass die Lösung offensichtlich ist. Aber das ist Hollywood-Marketing.

Schon bevor Martin Scorsese sich mit Lehanes Geschichte beschäftigte, schrieb und zeichnete der Franzose Christian De Metter eine Graphic Novel, die dem Roman genau folgt und oft wie das Storyboard für die Verfilmung wirkt.

Auf der titelgebenden Insel Shutter Island leitet Dr. Jeremiah Naehring, der bereits für die Nazis Menschenversuche machte, 1954 eine Irrenanstalt, in der besonders gefährliche, geisteskranke Verbrecher eingesperrt werden. Die US Marshals Teddy Daniels und Chuck Aule sollen dort die spurlos verschwundene Insassin Rachel Solando suchen. Als sich ein Sturm der Insel nähert, müssen Daniels und Aule länger als geplant auf der Insel bleiben.

Daniels verfolgt allerdings auch noch zwei geheime Missionen. Er will herausfinden, was mit Andrew Laeddis, dem Mann, der seine Frau umbrachte, geschah und er glaubt, dass Dr. Naehring und Dr. Cawley, der als leitender Arzt ihr Ansprechpartner ist und bereits für mehrere Geheimdienste arbeitete, im Auftrag der Regierung geheime Versuche mit Menschen machen. Deshalb will er auch wissen, was mit dem Patienten Nummer 67, der in den Akten der Anstalt nicht auftaucht, geschah.

Als Dennis Lehane vor zehn Jahren „Shutter Island“ schrieb, war er bei Krimifans als Autor der Patrick-Kenzie/Angela-Gennaro-Privatdetektivkrimis bereits ein bekannter Name und mit seinem ersten Einzelwerk „Mystic River“ festigte er seinen Ruf als exzellenter Krimiautor. Er hätte also locker ein zweites „Mystic River“ schreiben können. Aber er machte eine Kehrtwende und schrieb einen leicht pulpigen, in den fünfziger Jahren spielenden Thriller, der unbekümmert Verschwörungstheorien mit Fünfziger-Jahre-Paranoia und Horroratmosphäre mischt und einen wirklich überraschenden Schluss hat.

Christian De Metter folgte Lehanes Geschichte genau bis zur überraschenden Pointe; – jedenfalls wenn man noch nicht den Roman gelesen oder die Verfilmung gesehen hat. Beim Lesen seiner fast vollständig in Schwarz-Weiß-Zeichnungen gehaltenen Graphic Novel fällt auf, wie präzise Lehane falsche Spuren legte und, wenn man sie richtig deutete, Hinweise auf die Lösung gab. In der Verfilmung wird dagegen mit dem Holzhammer gearbeitet.

Insofern lohnt sich De Metters Version von „Shutter Island“ für die Lehane-Fans als werktreue, aber auch eigenständige Interpretation des Romans. Und wer zuerst den Comic gelesen hat, sollte trotzdem auch den Roman lesen.

Christian De Metter/Dennis Lehane: Shutter Island

(übersetzt von Resel Rebiersch)

Schreiber und Leser, 2010

128 Seiten

17,80 Euro

Originalausgabe

Shutter Island

Casterman/Payot & Rivages, 2008

Vorlage

Dennis Lehane: Shutter Island

William Morrow, 2003

Deutsche Ausgabe unter dem gleichen Titel.

Hinweise

Wikipedia über Christian De Metter (englisch, französisch)

Homepage von Dennis Lehane

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Coronado“ (Coronado, 2006)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Moonlight Mile“ (Moonlight Mile, 2010)

Meine Besprechung der Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (Gone Baby Gone, USA 2007)

Dennis Lehane in der Kriminalakte

3 Responses to Dennis Lehanes „Shutter Island“ in Christian De Metters grandioser Comic-Version

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